top of page
frankgottlieb

Habe ich mir das nicht einfach vielleicht alles nur eingebildet?

- Wie Mobbing das Selbstbewusstsein des Mobbingopfers Stück für Stück zersetzt


Wie oft ist das schon passiert? Ich habe aufgehört zu zählen. KlientInnen kommen zu mir, weil sie sich am Arbeitsplatz schikaniert, bedroht, belästigt und ausgestoßen fühlen von ihrem ganzen Team, einzelnen Kolleginnen oder Vorgesetzten und einen zügigen Ausweg aus der belastenden Situation suchen, wobei sie Kurzschlussreaktionen tunlichst vermeiden wollen.

Die 30- jährige Marketing – Managerin, die wiederholt sich schlüpfrige, ihre Privatsphäre tangierende Bemerkungen ihrer Teamleitung ohne Zeuge anhören muss oder der Projektkoordinator, der nicht mehr gegrüßt wird von seinen Teamkollegen. Sie alle spürten irgendwann, dass „etwas“ nicht mehr stimmt in der Arbeit, ihnen sich bereits beim allmorgendlichen Gang zur Arbeitsstelle der „Magen umdreht“. Informationen mit wichtigen Arbeitsanweisungen werden wiederholt nicht mehr oder unvollständig oder gar bewusst fehlerhaft an sie weitergegeben, man meidet das Gespräch mit Ihnen – es gibt zahlreiche erste alarmierende Hinweisgeber auf mögliches Mobbing, auf die ich noch eingehen werde.

Die Ratsuchenden spüren, wie sie zunehmend von Einzelnen oder Gruppen am Arbeitsplatz in die Isolation gedrängt werden, oft mit dem unausgesprochenen Endziel, dass die Betroffenen dem Arbeitsplatz fernbleiben, indem sie sich dauerhaft krankmelden und die Kündigung einreichen. Kurzum: sie werden systematisch gemobbt, weil man sie loshaben möchte.

Sind die Täter raffiniert, werden sie ihre Attacken „unter dem Radar“ und subtil, zumeist in zeitlichen Abständen ausführen wie wohldosierte und hochwirksame Nadelstiche, handeln die Täter weniger durchdacht, wird das Mobbing sich in offenen Attacken wie verbaler sexueller Belästigung vor KollegInnen oder Beleidigungen oder Degradierungen der Arbeitsleistungen und der Persönlichkeit vor versammeltem Team widerspiegeln.


Nachdem wir in der gemeinsamen Fallbesprechung die letzten Zweifel ausräumen konnten, dass das zunächst vage Gefühl, etwas liegt im Argen im Job, auf nichts anderes als Mobbing des Klienten zurückzuführen ist, höre ich doch früher oder später Anmerkungen wie „ Ach, ich weiss nicht, und wenn ich mir das nur eingebildet habe, ich hatte schließlich auch eine schlechte Phase“, „Ich denke, es gab hier vielleicht nur eine Verstimmung, die letztlich unter Umständen sogar ich zu verantworten hatte, weil ich vielleicht Mist gebaut habe“, „ Ich bin mir sicher, es hat nichts mit mir zu tun, den Job möchte ich behalten, ich werde es nochmal versuchen“.


Es wäre in der Tat das Bequemste und Schönste, wenn es reine Einbildung wegen eines persönlichen Downs ist, ein rein sachlicher Konflikt am Arbeitsplatz vorliegt, den auch noch Sie selbst durch ihre stümperhafte Arbeitsleistungen verantworten zu haben oder gar die angeblichen Attacken nichts persönliches waren, lediglich Ausdruck schlechter Tage der Kollegen waren und man ihnen ihren Job selbstverständlich weiterhin gönnt und Sie als Person sehr schätzt.

Das wären klare Antworten und wir lieben nichts mehr als Klarheit, denn dann fühlen wir uns aufgeräumt. Und gab es gar kein Mobbing da draußen im Berufsleben, sondern nur in unserem Kopf, dann sind wir auch nie Opfer geworden. Wer sieht sich schon gerne als Opfer? Das ist was für Verlierer.


Ist es erst einmal so weit gekommen, dass die Betroffenen beginnen zu glauben, ihre Wahrnehmung von gegen ihre Person gerichtetem Mobbing und / oder Bossing, sei lediglich nur das zweifelhafte Ergebnis eines Selbstbetrugs nach dem Motto : „Die anderen sind schuld“, dann haben die Attacken bereits ein wichtiges Zwischenziel erreicht, indem das Selbstbewusstsein schon derart zerbröselt wurde, dass es für das Opfer immer schwieriger wird, künftige Attacken am Arbeitsplatz zu erkennen, ihnen souverän standzuhalten und sich besonnen Lösungsstrategien zu überlegen, und dabei der Gegenseite, die es seelisch, körperlich und wirtschaftlich schädigt, immer einen Schritt voraus zu sein. Effiziente Gegenwehr in der Mobbingsituation mit dem Ziel, als Sieger aus der Sache hervorzugehen, erfordert zwingend die Sache als das zu erkennen, was sie ist: ein sich über einen längeren Zeitraum erstreckender, Prozess, in dem der Klient systematisch Attacken wie Verunglimpfungen, Beleidigungen o.Ä. ausgesetzt ist und seine Persönlichkeit degradiert wird.

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page